Umgang mit dem Sterben

Etwas mehr als eine Woche ist es nun her, dass Onko neben mir verstarb. Ich hatte damals die Möglichkeit, dass Privileg sie zu begleiten. Ja, dass macht etwas mit einem, im Guten wie im Schlechten.

Der Tod war für uns kein Tabuthema. Vorbereitet sind wir gewesen und natürlich ist auch klar, dass mensch in der Situation nie so vorbereitet reagieren wird, wie geplant. Wir haben lange vor dem Aufenthalt auf der Palliativstation darüber gesprochen wie wir beide Bestattet werden wollen. Auch, wie wir sterben wollen und viel wichtiger, wie nicht. Wir beide waren ein Stück weit gefasst.

In der Nacht als Onko starb konnte ich daher auch so reagieren, wie sie es gewollt hätte. Als der Sterbeprozess begann war sofort ein Pfleger mit mir auf dem Zimmer. Noch war unklar ob es wirklich schon so weit sei, da es auch eine Reaktion auf ein Medikament hätte gewesen sein können- allerdings war diese Hoffnung schnell dahin. Ich blieb ruhig, sprach langsam, aber deutlich mir ihr. Ob sie auch verstand was ich sagte ist unwahrscheinlich, jedoch bekam sie wohl mit wer (also ich), mit ihr sprach. Generell, so der Rat der mir mitgegeben wurde, hören Menschen noch sehr lange, auch wenn sie dann vielleicht nicht verstehen was gesprochen wird. Flüstern sollte daher vermieden werden, weil dies eher zu Unruhe führe, denn flüstern kann gerade nicht (oder nur schwerlich) einem vertrauten Menschen zugeordnet werden. Wird hingegen eine vertraute Stimme wahrgenommen, so kann das auf Sterbende eine beruhigende Wirkung haben.

Onko und ich sprachen auch was der andere jeweils in der Situation machen soll, eine Art, Ritual damit sich der „Übergang“ ein Stück weit angenehmer gestaltet – für uns beide. Als ich dem Pfleger davon erzählte, verließ er den Raum und gab Onko und mir die Möglichkeit gemeinsam den Sterbeprozess so zu gestalten, wie wir uns es (soweit möglich) vorgestellt haben.

Ja, der Anblick war nicht angenehm und doch, den Prozess miterleben zu können war für mich persönlich die bessere Wahl, denn sonst müsste ich es mir in der eigenen Fantasie ausmalen, was sicher für mich schlimmer wäre.

Und ja, ich habe noch gelegentlich die Bilder vor mir, stelle mir immer die Fragen, wie viel sie noch mitbekam, ob sie gelitten habe. Ich habe die Ärzte gefragt, beide. Den Ersten, der den Tod feststellte und auch später, den Oberarzt der Station. Ich spreche noch immer mit einer Psychoonkologin und dem ambulanten Hospizdienst darüber. Auch wenn natürlich niemand eine Garantie geben kann, so lassen sich diese Fragen ein Stück weit auch beantworten—und diese Antworten helfen, mir jedenfalls.

Was ich sagen will, macht den Tod nicht zum Tabuthema. Sprecht über das wie, sprecht darüber, wie nicht. In einer akuten Situation (z.B. Hospiz), überlegt euch, ob ihr die Kraft hättet Sterbende (wie) zu begleiten. Es verlangt viel von einem ab und es ist richtig und wichtig dies eben nicht zu machen, wenn Zweifel bestehen dem auch gewachsen zu sein. Die eigene Panik, Hektik, Verzweiflung können im schlimmsten Fall selbst noch im Sterbeprozess die Sterbenden belasten.

Wenn man sich es hingegen zutraut zu begleiten, dann sollte auch für eine Nachsorge wie z.B. dem ambulanten Hospizdienst oder in Form einer Therapie, (vor-)gesorgt sein. Redet auch mit dem Personal auf der Station und stellt alle Fragen die euch einfallen.

Euer T

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24 Antworten zu Umgang mit dem Sterben

  1. FRIDA schreibt:

    Danke für deinen Artikel, ich hoffe, der Blog bleibt offen weil ich ihn erst vor kurzem gefunden habe

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    • Aber ja, ich habe vor das Blog weiter zu führen, dann aber auch aus Sicht eines Angehörigen.

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    • Sabine schreibt:

      Toni, ich finde es großartig, dass du dein Erlebtes mit uns teilst. Ich begleite seit 4 Jahren sterbende Menschen im Ehrenamt. Ich wünsche mir, dass sterbende Menschen immer Jemanden bei sich haben, der sie auf den letzten Weg an die Gand nimmt. Diese Arbeit hat mich verändert. Es ist ein Geschenk an mein Leben, sterbende Menschen zu begleiten. Dabei kommt soooo viel zurück. Ich schaue aus einer anderen Perspektive auf das Leben. Ich wertschätze jeden Tag, jeden Augenblick, ob er gut ist oder schlecht. Mein Focus liegt dabei auf die liebevolle Berührung. Oftmals kann man mit Sterbenden nicht mehr verbal kommunizieren. Das ist auch nicht wirklich notwendig. Viel bedeutsamer ist die Berührung. Natürlich mit vorsichtiger Versicherung, dass der Mensch einverstanden ist. Auch das funktioniert. Es gibt so viele kleine Wunder zwischen Vegleiter und Sterbenden. Angst braucht man nicht haben. Horcht in euch rein, ob ihr euch do etwas vorstellen könnt. Ich danke meiner Bestimmung, die mich dazu geführt hat, den Menschen im letzten Augenblick des Lebens, so nahe sein zu dürfen.
      Bine

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  2. Jens schreibt:

    Genauso sollte es immer sein.

    Woher nehmen wir die Kraft, woher nimmst Du die Kraft, so kurz danach in dieser Form darüber schreiben zu können? Das ist großartig. Ich bin vor 7 Jahren den gleichen Weg in der gleichen Weise gegangen mit meiner Frau, aber ich kann bis heute nicht so offen darüber sprechen. Danke von Herzen, dass Du es kannst.

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  3. Agnes schreibt:

    Lieber Toni,

    ich kann mich nur verneigen, wie ihr – v.a. du – mit der Situation umgegangen seid. So weise und das in so jungen Jahren! Ich denke, mein Mann wird in der Situation nur meine Hand halten können – das passt aber auch, er ist kein großer Redner. Danke, dass du so offen über Kathrins letzte Tage und Stunden schreibst!

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  4. Patricia schreibt:

    Toni… Danke für deine Worte, deine Offenheit und dein Sosein. Du bist ein großartiger Mensch!

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  5. Mrs Postman schreibt:

    Lieber T., danke für diesen Text, er hat viel Tröstliches neben dem Traurigen. Wie gut, dass ihr euch hattet

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  6. Junia Grey schreibt:

    Lieber T., vielen Dank für diesen sehr schönen, berührenden Text.
    Er hat neben dem traurigen auch sehr viel Tröstliches.Du hast etwas eigentlich Unbegreifliches sehr gut in Worte gefasst.
    Ich habe meinen Vater in seinem Sterbeprozess im Hospiz begleiten dürfen und kann sehr gut nachempfinden, wie du dich jetzt fühlst. Wichtig finde ich deinen Satz, dass man den Tod nicht zum Tabuthema machen soll und dass man sich vorher überlegen soll, ob man die Kraft hat, einen Sterbenden zu begleiten, damit man ihm den Weg nicht noch schwieriger macht. Ich kann nur für mich persönlich sagen, dass ich mich im Hospiz auch als Angehöriger sehr gut aufgenommen gefühlt habe und mit den netten Leuten dort über alles reden konnte, was mich belastet hat. Man kann gar nicht oft genug sagen, wie wichtig und toll die Arbeit ist, die dort geleistet wird!

    Ich freue mich, dass der Blog offen bleiben wird und du über deine Erfahrungen als Angehöriger schreiben wirst. Danke dafür und danke, dass du deine Gedanken mit uns teilst.

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  7. justitiasnews schreibt:

    Vielen Dank dafür, dass Du uns Einblick gewährst und uns teilhaben lässt!
    Ein Ritual hätte ich mir auch gewünscht, als 1995 mein Mann verstarb. Wie schön, dass Du Deiner Frau nicht von der Seite gewichen bist!

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  8. Andrea Martin-Pieper schreibt:

    Lieber Toni,
    Du bist sehr tapfer. Großer Respekt an Dich, an Euch von allen und mit allen mit denen ich mich ausgetauscht habe und die in meinem familiären und Freundeskreisumfeld die Onkobitcheinträge verfolgten.
    Ich könnte begleiten und muss es im Ernstfall dann auch. Es ist anders als bei Euch, doch ich ziehe häufig Parallelen.
    Vor ein paar Jahren sind Kathrin, unsere Freundin Dagmar, mein Mann und mein Kind um diese Zeit auf dem Weihnachtsmarkt im Kloster Corvey bei Höxter gewesen. Ein schöner Tag. Besonders blieb mir noch in Erinnerung, wie wir die armen Kassiererinnen am Eingang mit unseren mehrfach vorhandenen Schwerbehindertenausweisen und Jugendgruppenleiterehrenamtlerkarten verwirrten und wir alle herzlich darüber lachen mussten. Kathrin tätigte noch einen Einkauf und hatte zuvor überlegt, ob sie dich die Jacke wirklich noch kaufen sollte, ob sie sie noch bräuchte,… Was wir wirklich brauchen? Egal, es war der Tag, die Stunde. Was soll‘ wir leben nur einmal – und das haben wir an diesem Tag getan; 5 von Krebs Betroffene jeder in unterschiedlichem Stadium bzw. direkt Betroffenen-Status. Lebt das Leben,… war und ist unser Motto, gerade weil wir wissen, dass es auf dieser Welt endlich ist. LG

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  9. Barbara schreibt:

    Lieber Toni, ich bin selbst Sterbebegleiterin. Es ist so schön und so wichtig, dass du bei Onko warst ,,. Überhaupt: Menschen sollen nicht allein sterben. Wenn sie es in einer „Pinkelpause“ vorziehen, sich doch klammheimlich davonzustehlen, dann ist das ihre Entscheidung. Aber dann tun sie das in dem Wissen, dass sie nicht allein waren, weil jemand den Mut hatte, bei ihnen zu bleiben: Es sind noch so viele Kanäle offen während des Sterbeprozesses …
    Bitte habt alle keine Angst. Es ist – ja! – so beglückend, Sterbende zu begleiten. Sie müssen gehen, so oder so, aber wenn jemand da ist, der sie nicht im Stich lässt, dann spüren sie das. Unsere Anwesenheit macht einen Unterschied. Und wir können den Rest unseres eigenen Lebens davon zehren, dass wir in diesem Augenblick für sie da waren.

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    • Mo schreibt:

      Lieber T. , du hast es wunderbar beschrieben. Danke dafür. Ich war 28 Jahre jung, als ich das erste Mal in meinem Leben jemanden in den Tod begleitet habe. Ich habe mich damals ( vor über 30 Jahren, extra beeilt von der Arbeit nach Hause zu kommen, um da zu sein. Und ja, du hast recht, es verlangt einem eine Menge ab. Ich mochte meine Schwiegermutter (pankreas). Und wir saßen da und hielten abwechselnd ihre Hand und streichelten sie. Ich denke, dass Berührungen auch wahrgenommen werden. Deine Beschreibung geht unter die Haut, und ich glaube, dass sich jeder so einen Menschen wie dich an seinem Sterbebett wünscht. Du machst vielen Mut, wie es Onko tat, solange sie lebte. Nicht nur jenen, denen der Tod vor der Tür steht, sondern auch denen, die diesen Menschen lieben und mit ihm die letzten Minuten verbringen möchten. So grausam das für die ist, die zurückbleiben, so schön ist es aber auch gleichzeitig, mit dem Gefühl weiterzuleben, dass man den geliebten Menschen in eine andere Welt begleiten durfte, für die man selbst noch nicht vorgesehen ist. Auch, wenn ich Onko nie persönlich begegnet bin, so berührt mich ihr früher Tod sehr. Und meine Gedanken fliegen mal zu ihr und mal zu dir, der du jetzt ohne sie weitermachen musst. Ich wünsche dir, dass du diesen Weg so gehen kannst, wie ihr es besprochen habt, dass du nicht von Bitterkeit über den Tod begleitet wirst. Und ich möchte dir mit auf den Weg geben, dass es wichtig und gut war, wie du bzw. ihr mit allem umgegangen seid. Vor allem auch, dass ihr uns alle habt teilhaben lassen, um uns etwas Angst vor dem Tod, dem Sterben und dem Begleiten zu nehmen. Danke!

      M.

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  10. Michaela schreibt:

    Meine Geschwister 6 a.d.z. und ich haben meinen Vater vor zwei Wochen in seiner Sterbe Fasse begleitet sie ging vier Wochen lang und wir waren jeden Tag da es hat uns alles abverlangt . Wir haben viel gerede über das wie, was, wenn und auch viel gefragt . Allso soweit war war es eine Erlösung für beide Seiten ich würde es aber jeder Zeit wieder machen . Ps. Ja es verändert einen Lg.Michaela

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  11. Claudia Kerpen schreibt:

    Vielen Dank für den Bericht den ich gerne geteilt hätte auf fb. Liebe Grüße von Claudia

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  12. mel_booklover schreibt:

    Danke für diesen Beitrag. Der Tod, egal ob von Angehörigen oder mein eigener, macht mir riesige Angst. Dieser Blog hilft mir ein wenig mich mit dieser Angst zu beschäftigen.

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  13. Heike schreibt:

    Mein Bruder ist letztes Jahr am Weihnachtstag gestorben, mein Vater dieses Jahr Ende September. Beiden durfte ich beim Sterben zur Seite stehen – bei meinem Bruder im Hospiz (Danke nochmal an das Pflegepersonal dort, von euch habe ich in den 6 Monaten viel gelernt) und bei meinem Vater im Krankenhaus. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung und möchte sie nicht missen. Man lernt zu Leben im Angesicht des Todes.

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  14. Nina Winkler schreibt:

    Respekt

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  15. Renate schreibt:

    Danke

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  16. Petra schreibt:

    Danke, Toni, für deine Worte. Sie tun gut, besonders da meine Schwester gerade das Gleiche erlebt hat wie du. Auch sie war an der Seite ihres Mannes bis zur letzten Sekunde, hat ihn begleitet, wurde von den sehr emphatischen Menschen auf der Palliativstation mit ihm allein gelassen, so wie sie es wollte, hat dem geliebten Menschen gesagt, dass es in Ordnung ist, wenn er geht, als er danach gefragt hat und hat seinen letzten Atemzug erlebt, in ihrem Armen liegend. Mich erfüllt eine große Traurigkeit, aber auch Dankbarkeit. Es ist gut, wenn mensch da sein kann für einen geliebten Menschen beim Übergang zu wohin auch immer.

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  17. Andrea Voß schreibt:

    Hat dies auf Andrea Voß rebloggt und kommentierte:
    Hallo ihr lieben alle hier, ich finde es auch sehr wichtig, dass dieser Blog weiterhin offen bleibt. Ganz liebe Grüße von Andrea Voß von http://www.andrea-v.de

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  18. Jutta Michaud schreibt:

    Lieber T.,
    vielen Dank das du den Blog mit deinen Erfahrungen und dem gleichen Mut, den deine liebe Frau gezeigt hast, fortsetzt. Es ist so wichtig, Tod und Sterben nicht aus dem Leben zu verbannen. Ich habe selbst einen lieben Menschen bis zum Schluss begleitet und das – bei allem Schmerz – als Bereicherung erlebt. Dir wünsche ich alles Gute und viel liebevolle Unterstützung in den traurigen Momenten, die trotz allem immer wieder auftauchen.

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  19. Richard Wehe schreibt:

    Wenn man auch nicht mehr viel tun kann, wichtig ist daß man für denjenigen da ist

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